75 Jahre Collegium Musicum Basel: professioneller, wagemutiger – und noch immer ohne Subventionen
Es gibt ältere Sinfonieorchester, aber 75 Jahre ist doch eine schöne Erfolgsmarke. Albert E. Kaiser arbeitete ab 1951 am Theater Basel und gründete im selben Jahr sein Collegium Musicum. Über 50 Jahre lang leitete er das Orchester und prägte damit eine Ära in der Pflege der Musik von Mozart bis zur Hochromantik.
Erst 2004 trat mit Simon Gaudenz ein junger Dirigent in seine Fussstapfen und sorgte für eine Erneuerung im behäbig gewordenen Auftritt. Kevin Griffiths setzte 2011 diesen Weg fort und wagte auch mal den Sprung in populäres Crossover-Repertoire. 2018 übernahm Johannes Schlaefli, Dozent für Dirigieren an der Zürcher Musikhochschule, und seit letzter Saison ist Jan Schultsz Chefdirigent beim Collegium Musicum.
Den zweiten Abschnitt in dieser deutlich zweigeteilten Orchesterbiographie prägten nicht nur die vier Chefdirigenten jeder auf seine Weise, sondern auch der ehemalige Basler Regierungsrat Hans Martin Tschudi als Präsident.
Qualität durch Professionalisierung
Sein zwanzigstes Jahr wird jetzt auch sein letztes sein, und er darf mit seinem «Unternehmen» mit einem Umsatz von einer Million Franken jährlich, wie er gerne sagt, zufrieden sein: Das Profil wurde geschärft, der Fokus liegt auf der Region und auf der Jugend, und eine konsequente Professionalisierung hat die Qualität gesteigert. Das betrifft den Vorstand – der ehrenamtlich arbeitet –, vor allem aber auch die Mitglieder im Orchester.
Bemerkenswert an diesem Orchester ist, dass es seit 75 Jahren ohne öffentliche Subventionen bestehen kann. Ein breiter Gönner-, Sponsoren- und Freundeskreis macht dies möglich. Angeklopft beim Staat hat man nie, sagt Tschudi: «Das ist immer wieder eine Diskussion. Aber wir kommen jedes Mal zum Schluss, dass wir unabhängig bleiben wollen, weil wir uns auch nicht rechtfertigen wollen für unsere Programme.»
Tatsächlich pflegte das Collegium Musicum jahrzehntelang stark das populäre Klassik-Repertoire. Dieses Image allerdings gilt es zu relativieren: Die kommende Jubiläumssaison ruht sich nicht aus auf dem Kanon der Wiener Klassik und den romantischen Filetstücken von Schubert bis Brahms.
Hollywoodmelodien und Meeresmusik
Findet man doch Namen wie Zdenek Fibich oder Amy Beach in den Programmen, und auch bei Tschaikowsky, Schostakowitsch oder Dvořák spielt man nicht die bekannten Werke. Jan Schultsz verfolgt damit explizit die Absicht, das Orchester in Basel zu einem eigenständigen Profil zu führen.
Zudem hat er interessante, renommierte Solistinnen – und einen Solisten – einladen können, wofür er auch auf sein breites Netzwerk zurückgreifen kann. Im Eröffnungskonzert spielt Arabella Steinbacher das von Hollywoods Melodien getränkte Violinkonzert von Korngold. Die Sopranistin Tanja Ariane Baumgartner bringt ein Werk der amerikanischen Komponistin Amy Beach mit, das Benjamin Reiners, der Ständige Gastdirigent aus Deutschland, mit Meeresmusik von Mendelssohn und Elgar ergänzt.
Einen Beethoven-Abend gibt es mit Viviane Chassot, die auf ihrem Akkordeon das Violinkonzert spielt, ergänzt von der Prometheus-Musik. Mit Lise de la Salle kommt eine Weltklasse-Pianistin für das zweite Klavierkonzert von Brahms nach Basel, ergänzt von der ersten Sinfonie Schostakowitschs, die noch seine jugendlich-selbstbewusste Spritzigkeit zeigt.
Schliesslich folgt im Juni die Jubiläums-Gala mit dem Cellokonzert von Dvořák und Daniel Müller-Schott als Solisten. Nachdem er letzte Saison Tschaikowskys erste Sinfonie dirigiert hatte, setzt sich Jan Schultsz auch für dessen selten gespielte zweite Sinfonie ein, die auf ukrainische Melodien zurückgreift.
Ein Podium für den Nachwuchs
Auch für die Jugend schlägt das Herz des 75-jährigen Orchesters. Praktisch seit seiner Gründung veranstaltete es jede Saison ein Konzert mit Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs. Zudem gibt es nach wie vor die schöne Möglichkeit für Jugendensembles aus der Region, in den halbstündigen Vorkonzerten aufzutreten.
Als ein weiteres Nachwuchspodium leitet Schultsz ein Programm mit vier Solisten aus den Basler Talent-Förderprogrammen Sport und Musik. Das siebte Abo-Konzert veranstaltet das Collegium Musicum zusammen mit dem Bach-Chor unter der Leitung von Joachim Krause.
Neben Werken von Poulenc kommt ein überaus rares Monument der Chorliteratur zur Aufführung: «Le Martyre de Saint Sébastien» von Claude Debussy – eine dramatische Legende, so richtig nach dem Geschmack des Fin-de-Siècle.